Ernährungspolitische Forderungen an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung der Stadt Frankfurt/Main, erarbeitet vom Aktionsbündnis „Ernährungswende Jetzt!“ des Ernährungsrates Frankfurt
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Frankfurt, den 20.05.2025
Klimaschutz, gesellschaftliche Resilienz und Ernährung haben mehr miteinander zu tun, als die breite Öffentlichkeit vermutet.
Es gibt viele Möglichkeiten, mit einer bewussten Ernährung von der Kaufentscheidung über die Zubereitung, Logistik und Entsorgung, einen positiven Beitrag zur Ernährungswende zu leisten. Dies umfasst die Erzeugung, Verarbeitung und den Handel von bio-regional erzeugten Lebensmitteln. Die Erhaltung und Stärkung solch nachhaltiger Versorgungsketten leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung und zur Widerstandsfähigkeit der Regionalwirtschaft.
Ziel des Ernährungsrates Frankfurt am Main ist es, einen lokalen Beitrag zur Transformation unseres in Schieflage geratenes Agrar- und Ernährungssystems zu leisten. Der Ernährungsrat setzt Projekte um, initiiert Initiativen und moderiert langfristig-ausgerichtete Netzwerke rund um die Themen integrierte Wertschöpfungsketten von (Öko-)Lebensmitteln aus der Region für die Region, Ernährungsbildung und Schulgärten, Gemeinschaftsverpflegung von öffent- lichen Einrichtungen wie Schulen und Kitas, Abfallvermeidung bzw. Kreislaufwirtschaft und Ernährungspolitik. Um dies erreichen zu können, ist der kritische Austausch, die effektive Kommunikation und Kooperation mit den relevanten Stellen bzw. Schlüsselpersonen der Stadtpolitik und Verwaltung unerlässlich.
Diese Aktivitäten tragen dazu bei, dass die Stadt Frankfurt am Main, die Ziele konkretisieren und mit der Umsetzung beginnen kann, die mit dem „Milan Urban Food Policy Pact“ unterzeichnet wurden.
Wenn wir global etwas ändern möchten, müssen wir lokal aktiv werden!
Der Ernährungsrat Frankfurt setzt sich für gute Ernährung ein, vor allem durch die Ermöglichung von Wissensaustausch und Bildung sowie die Herstellung von Kontakten zwischen Erzeuger*innen, Verarbeitungs- unternehmen und Verbraucher*innen von regionalen und saisonalen Lebensmitteln.
Der Ernährungsrat fordert daher:
1) Eine Ernährungsstrategie für die Stadt Frankfurt am Main, wie sie schon viele andere Städte und Regionen für sich erarbeitet haben.
Eine solche Strategie ist für die effektive Erreichung der Ziele des ‚Milan Urban Food Policy Pact“ maßgeblich. Der Stadt Frankfurt wird daher dringend empfohlen, gemeinsam mit dem Ernährungsrat Frankfurt eine kommunale Ernährungsstrategie zu erarbeiten!
2) Eine zuständige Stelle für das Querschnittsthema ‚Nachhaltige Ernährung‘ in der Stadt Frankfurt am Main.
Es gibt bei der Stadt viele Stellen, die sich mit dem Thema „Ernährung“ beschäftigen oder in ihrem Arbeitsalltag mit dem Thema in Berührung kommen. Das Thema Ernährung muss viel stärker ressortübergreifend erfasst und bearbeitet werden. Es gibt Fachleute im Gesundheits- und im Bildungsbereich, es gibt Gemeinschaftsverpflegung in städtischen Einrichtungen und es werden immer wieder Veranstaltungen und andere Gelegenheiten angeboten, bei denen sich die Verwaltung der Stadt Gedanken über die Beauftragung und Beschaffung von Ernäh- rung macht. Wenn es aber um die Umsetzung von konkreten Maßnahmen geht, dann fehlt es an einer Anlaufstelle für engagierte Bürger*innen, die kompetent im Themenfeld Ernährung agieren kann bzw. Ansprechpersonen in den anderen relevanten Ämtern einbinden kann.
3) Beitritt der Stadt Frankfurt zum Bio-Städte-Netzwerk.
Frankfurt kann sowohl von anderen Städten lernen als auch eigene Erfahrung weitergeben. Daher fordern wir die Stadt Frankfurt am Main auf, dem Netzwerk „Bio-Städte“ beizutreten. Dieser Beitritt dient auch der Umsetzung des Milan-Urban-Food Policy Paktes. Für die Mit- gliedschaft bedarf es einer zuständigen Stelle, wie sie der Ernährungsrat für die Stadt fordert. Die Bio-Städte verfolgen gemeinsam die Ziele, wie sie beispielsweise den Bio-Anteil in der öffentlichen Beschaffung kontinuierlich steigern und städtische Flächen für den privaten bzw. gemeinschaftlichen Obst- und Gemüseanbau bereitstellen können. Hierzu zählen auch nach- haltige Verpflegungskonzepte für Getränke und Speisen bei Veranstaltungen.
Denn städtische Veranstaltungen haben eine Vorbildfunktion. Ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln und Ressourcen trägt zur Förderung nachhaltiger Lebensstile und zur Minde- rung des CO2-Fußabdrucks bei. Die Stadt Frankfurt sollte daher bei eigenen Veranstaltungen stärker auf ein umwelt- und sozialverträgliches Speise- und Getränkeangebot achten. Das kann durch regionale, saisonale und möglichst pflanzliche Produkte, den Verzicht auf Ein- wegverpackungen und die Bevorzugung fair gehandelter Waren geschehen. Die Verwendung von nachhaltigem Mehrweggeschirr bzw. Verpackung bei Festivitäten trägt zur Müllvermei- dung bei. Verhaltensänderungen bei der Bevölkerung lassen sich durch gute Beispiele bei städtischen Großveranstaltungen begünstigen. Dies dient auch der Umsetzung der Ziele, zu denen sich die Stadt als „Zero Waste City“ bereits formal verpflichtet hat.
4) Mehr Grün in der Stadt zur Kühlung bei Hitze, als Wasserspeicher (Schwammstadt) und zur Verbesserung der Luftqualität (Feinstaubreduzierung).
Diese Konzepte der Stadtplanung können durch das Flächennutzungskonzept der „Essbaren Stadt“ maßgeblich untermauert werden. Eine gute und nachhaltig ausgerichtete Ernährung muss in zukunftsorientierten Klima- und Stadtentwicklungsplänen von Städten wie Frankfurt
mitgedacht werden wie z.B. die Bereitstellung von Flächen für urbane Landwirtschaft, die Förderung regionaler Versorgungskreisläufe und der Ausbau nachhaltiger Gemeinschaftsver- pflegung in öffentlichen Einrichtungen. Die Art, wie wir uns ernähren und wie Lebensmittel in die Stadt kommen, hat erhebliche Auswirkungen auf Klima, Gesundheit und Lebensquali- tät. Eine zukunftsgerichtete Stadtplanung kann diese Zusammenhänge aktiv nutzen und somit systemische Lösungen in die Umsetzung bringen.
Diese Zielsetzung ergänzt auch die Bereitstellung von zusätzlichen Grünflächen für urbanes Gärtnern sowie innerstädtische Anlage von Obstbaumbeständen. Flächen mit aktuell unge- klärter Nutzung, auch im Eigentum der Stadt Frankfurt, sind vorhanden. Innovative Lösungs- ansätze wurden bereits bei diversen Workshops entwickelt. Diese warten auf die Umsetzung mit den jeweils verantwortlichen lokalen Akteuren.
5) House of Food (HOFF) mit Food Hub und öffentlicher Gemeinschaftsküche
Die Stadt Frankfurt unterstützt die Aktivitäten des HOFF durch einen Zuschuss zu den Perso- nalmitteln des Ernährungsrates. Diese Mittel ermöglichen die Umsetzung der Messe für kulinarische und regionale Verbindung (2024 und 2025), eines regelmäßigen Küchenstamm- tisches und einiger weiterer kleiner Aktivitäten. Nach wie vor fehlt es an einem Ort für das HOFF. Das Konzept hierfür als ‚Umschlagsort von Wissen und Waren‘ steht. Denn Frankfurt braucht (mindestens einen) Food Hub zur Verarbeitung, Logistik und/oder Vermarktung von lokal/regional produzierten Lebensmitteln. Ein städtischer Food Hub soll neben einer Ge- schäftsstelle über eine Gemeinschaftsküche und weitere benötigte Infrastruktur verfügen, um regionalen Kleinerzeugern die Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte zu ermöglichen und zu erleichtern. Diese Küche kann auch für Veranstaltungen wie Lebensmittelrettungsakti- onen, interkulturelle und nachbarschaftliche Kochevents genutzt werden.
Frankfurt braucht das HOFF als Arbeits- und Erfahrungsort, der Menschen zusammenbringt, Erfahrungsaustausch ermöglicht und der das Thema „Nachhaltige und regionale Ernährung“ erlebbar macht und auch der Weiterbildung von Küchenpersonal dient. Erfahrungen aus anderen Städten liegen vor, von denen Frankfurt profitieren kann.
6) Änderung der bestehenden Marktordnung auf Wochenmärkten.
Es ist dringend erforderlich, den Anteil der regionalen, nachhaltigen Erzeuger auf allen Frank- furter Wochenmärkten zu steigern. Verbote oder Mindestquoten führen nicht immer zum er- wünschten Ergebnis im Angebot. Wir fordern daher eine entsprechende Anpassung der Marktordnung, die durch Anreize die Rahmenbedingungen für mehr regionale Bio-Erzeuger schafft. Die Marktgebühren müssen gestaffelt werden; hierbei können verschiedene Kriterien angewandt werden (bspw. für regionale Bio-Produzenten, Anbieter von regionalen Produkten, aktiver Müllvermeidung, etc.).
7) Günstige Rahmenbedingungen für eine regenerative Landwirtschaft in der Stadt.
Im Hinblick der gesellschaftlichen Resilienz wird die lokale Vermarktung, Verarbeitung und Logistik von nachhaltig erzeugten Lebensmitteln (wieder) zunehmend an Bedeutung gewin- nen. Das zeigen europäische und internationale Studien vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Risiken. Frankfurt hat landwirtschaftliche Betriebe. Diese können viel mehr als viele andere kleine und mittelgroße Unternehmen im Stadtgebiet, bei der Umsetzung von zukunftsorientierten stadtplanerischen Zielen und Strategien helfen. Dieses Potential zugunsten des Klima- und Wasserschutzes, zur Wärmeregulierung, und zur Reduzierung der
Feinstaubbelastung und damit zur Verbesserung der Lebensqualität im Innenstadtbereich gilt es zu nutzen. Schon seit den 1990iger Jahren gibt es das erfolgreiche Anreizmodell der Agrar- umweltmaßnahmen, die die Honorierung von ökologischen Leistungen der Landwirtschaft vorsehen. Maßnahmen wie die Anlage von Blühstreifen, Streuobstwiesen, Mischkulturen, usw. sind vergleichsweise einfach zu konzipieren. Solche Instrumente liegen auch für die lokale Anwendung vor und können auf die Anforderungen in Frankfurt und Umgebung angepasst werden. Hiermit lassen sich wassersparende und klimaangepasste Anbauformen ausgestalten. Zur Kostenreduzierung, können auch private Förderer wie Banken oder Ver- sicherungen eingebunden werden, da sie oftmals ihr Nachhaltigkeitsprofil lokal schärfen wollen.
8) Wesentliche Reduzierung der zusätzlichen Versiegelung von Ackerflächen.
Eine weitere Forderung zur Wiedereinrichtung einer regenerativen Landwirtschaft in und um die Stadt Frankfurt besteht darin, die Rate der Flächenversiegelung so schnell wie möglich zu reduzieren. Denn einmal versiegelte Flächen sind nicht wieder zur Lebensmittelerzeugung und kaum für den Klima-, Wasser- oder Biodiversitätsschutz nutzbar. Stattdessen muss die Flächennutzung vorrangig landwirtschaftlichen Betrieben bzw. Geschäftsmodellen anvertraut werden, die den Schutz der natürlichen Ressourcen bei möglichst gleichzeitiger Einbindung der Zivilgesellschaft in die Verantwortung der Lebensmittelerzeugung gewährleisten (beispielsweise mit Solawis, Genossenschaften, Gemeinschaftsgärten).
9) Stärkung nachhaltiger lokal ausgerichteter Wertschöpfungsketten für Lebensmittel.
Um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit solcher landwirtschaftlicher Geschäftsmodelle zu gewährleisten, müssen die Rahmenbedingungen für den Aufbau (bio-)regionaler Wertschöp- fungsketten dringend verbessert werden. Neue Geschäftsmodelle können entstehen. Die Ko- operationen zwischen z.B. Genossenschaften. Gastronomie und Handel ist ein möglicher Schlüssel zum Erfolg, den die beteiligten Unternehmen aber nicht alleine etablieren können. Zu solchen Rahmenbedingen gehört z.B. die Bereitstellung von regionalen Verarbeitungs- und Lagerstätten, um die Verteilung in der Stadt zu vereinfachen und somit die Diversifizie- rung des Angebotes und der Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
10) Einbindung von Bildungs- bzw. Lerneinheiten zur Lebensmittelzubereitung und guten Ernährung gemäß der DGE bzw. Planetary Health Standards.
Wenngleich die schulische Bildung nicht im städtischen Verantwortungsbereich liegt, so hat die Stadt doch Gestaltungsspielraum, Angebote zum Thema ‚Nachhaltige Ernährung‘ in Er- ziehung, Aufklärung und Bildung zu fördern. Die Rahmenbedingungen lassen sich deutlich begünstigen, damit Informationen und Lerneinheiten zur gesunden und nachhaltigen Ernährung in den Unterricht einfließen. Denn die Möglichkeiten sind laut Curriculum gegeben, z.B. im Sachunterricht, oder an weiterführenden Schulen in den Fächern Erdkunde, Biologie, Powi, Ethik, oder Nawi. Es gibt Möglichkeiten zur Verknüpfung von Cateringangeboten mit Bildungsangeboten wie Mensa/Koch-AGs, die in der Leistungsbeschreibung enthalten sind.
Die Förderung (Ermutigung) des Mensaausschusses in den Schulen kann auch in die Schul- konferenz und in Fachbereichssitzungen bzw. Fachkonferenzen hineinwirken. Abgeordnete Personen können als Botschafter (Ambassadors), den Austausch zwischen den Schulen, mit dem städtischen Schulamt und anderen Akteuren mit Ernährungsbezug gewährleisten.
Diesbezügliche Abstimmung bzw. die Entwicklung von Konzepten oder Pilotprojekten lassen sich gemeinsam mit dem staatlichen Schulamt z.B. bei einem Spezialtermin des Runden Tisches mit dem Stadtschulamt und anderen Schlüsselpersonen entwickeln.
Über die Schulen hinaus braucht die Stadt dringend ein Programm zur Erwachsenenbildung bzw. zur Inklusion rund um die Themen der Erzeugung, Lagerung oder Zubereitung von Le- bensmittel. Beispiele von Seminaren oder Workshops mit Flüchtlingen, sozialen Randgruppen oder mit Menschen mit Behinderung zeigen gute Integrationserfolge.
11) Dauerhafte Etablierung der Arbeitsgruppe ‚Runder Tisch‘ mit dem Städtischen Schulamt
Wir fordern die dauerhafte Fortführung der Arbeitsgruppe Runder Tisch – entsprechend dem Vortrag des Magistrats/M27 vom 7.2.2020, um größere Transparenz zu schaffen. Ziel ist es, einen regelmäßigen Austausch zu den aktuellen Themen rund um das Schulessen zu gewährleisten und den Mensaausschüssen, Mittagstisch-Botschaftern oder Schulkonferenzmitgliedern beratend und unterstützend zur Seite zu stehen.
12) Die Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung an Frankfurter Schulen und Kindergärten.
Für eine guten Mittagsverpflegung von Schülerinnen und Schüler ist besonders wichtig, dass ausgewogenes und gesundes (Bio-)Essen für ALLE erschwinglich und verfügbar wird, wodurch gesundheitliche Risiken minimiert und Krankheiten vorgebeugt wird.
Gute Essensangebote, Ernährungsbildung, die Nachfrage nach fair bezahlt und nachhaltig erzeugten Lebensmitteln aus der Region, die Reduzierung von Lebensmittelabfällen und der Weg hin zu regionalen Stoffkreisläufen gehen Hand in Hand. Insofern ist die Stärkung der öffentlichen Nachfrage nach (bio-)regionalen Lebensmitteln eine zentrale Maßnahme, die der Umsetzung einiger der genannten Forderungen dienen kann und Synergien gewährleistet.
Die Forderungen zur Verpflegung in den Schulen wurde gemeinsam mit Vertreterinnen des Stadtelternbeirates erarbeitet (siehe separates Forderungsdokument des Ernährungsrates zur Schulverpflegung).
Referenzen zu Quellen aus der Literatur sowie zu Beispielen für die aufgestellten Forderungen können bei dem Ernährungsrat Frankfurt nachgefragt werden.

