Lösungen nennen die Forscherinnen „noch utopisch“, doch Initiativen und Pilotprojekte nehmen die Herausforderung an
Frankfurt am Main, 13. Juni 2023 – Kann eine nachhaltige und regionale Versorgung mit Lebensmitteln in Hessen gelingen? Mit dieser Frage befasste sich eine Studie der Hochschule Fulda in Bezug auf Flächenverbrauch und aktueller Ernährungsweise (Konsum), die jetzt veröffentlicht wurde. Das Fazit der Wissenschaftlerinnen Anna-Mara Schön und Marita Böhringer, die auch für den Ernährungsrat Frankfurt tätig sind: Die aktuellen Selbstversorgungsgrade, also was wir vor Ort an Lebensmitteln produzieren, liegen nur für Getreide und Zuckerrüben über 100 Prozent – ansonsten kann sich Hessen nicht selbst ernähren. Für die bevölkerungsreiche Metropolregion Frankfurt sieht es da erwartungsgemäß wesentlich schlechter aus (Kartoffeln, 24 Prozent, weißes Fleisch zwei Prozent).Um das zu verbessern, müsste grundlegend etwas geändert werden, denn der Anbau orientiert sich nicht am regionalen Bedarf, sondern am Viehbestand und an überregionalen sowie internationalen Märkten.
Die derzeitigen Ackerkulturen im Rhein-Main-Gebiet und auch in ganz Hessen sind nicht divers genug, um die Bevölkerung mit abwechslungsreichen und gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Insgesamt untersuchten die Wissenschaftlerinnen sechs Regionen in Hessen. Betrachtet wurden die Lebensmittelgruppen Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Gemüse, Pflanzenöle, Zucker, Milch und Milchprodukte, Eier, Fleisch (rot und weiß). Der aktuelle Durchschnittsverzehr wurde mit der empfohlenen Verzehrmenge laut Planetary Health Diet (PHD) verglichen. Die PHD rechnet mit 2.500 kcal pro Kopf. Da dieser Verbrauch relativ hoch ist, wurde er auf 2.150 kcal/Kopf herunterskaliert, ermittelt auf Basis der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und dem berechneten hessischen Median.
Wir stellen hier die Ergebnisse für Frankfurt am Main und angrenzende Landkreise vor, in der Studie als Region Nummer fünf bezeichnet. Eine Übersicht über die Faktenlage sieht so aus:
Die Tabelle zeigt: Selbstversorgungsgrade anhand des derzeitigen Konsums in Bezug zum derzeitigen Anbau und Selbstversorgungsgrade anhand der Empfehlungen der Planetary Health Diet in Bezug zum derzeitigen Anbau für Region 1 Hessen und Region 5, Metropolregion Frankfurt.
Die Studie belegt die Ziele des Vereins BIONALES e.V., der das junge House of Food Frankfurt sowie den Ernährungsrat Frankfurt trägt: Wir brauchen eine Umstellung auf agrarökologische Landwirtschaft für eine gesunde und umweltfreundliche Ernährung. Auszüge aus dem Fazit der Studie:
- „Die heutige Lebensmittelproduktion verursacht einen beträchtlichen Anteil der Treibhausgasemissionen und führt zu Problemen wie Übergewicht und Mangelernährung. Eine regionalisierte und nachhaltigere Lebensmittelproduktion könnte positive Auswirkungen auf Gesundheit, Klima und lokale Wirtschaft haben, erfordert jedoch Veränderungen im Konsumverhalten und in der landwirtschaftlichen Praxis.
- Die Berechnungen für den Futtermittelbedarf in Beziehung zu den verfügbaren Flächen zeigen, dass die Viehhaltung in allen Regionen einen erheblichen Flächenverbrauch hat. Die Art der Fütterung regionaler Nutztiere steht in starker Konkurrenz zum Lebensmittelbedarf der Menschen.
- Ein Mangel besteht an lokal angebauten Eiweißfuttermitteln, wie Luzerne, Kleegras und Leguminosen, was darauf hindeutet, dass die meisten Tiere mit importierten Futtermitteln gefüttert werden.
- Die derzeit angebauten Ackerkulturen reichen weder in der Metropolregion Frankfurt noch in Hessen gesamt aus, um die Bevölkerung mit einer abwechslungsreichen und gesunden Ernährung zu versorgen.
- Die Anbaupläne orientieren sich nicht am regionalen Lebensmittelkonsum, sondern an vorhandenem Viehbestand und überregionalen Märkten.
- Eine Umstellung auf die Planetary Health Diet würde die Selbstversorgung in den meisten Regionen ermöglichen, aber es wäre eine drastische Reduzierung des Konsums tierischer Produkte erforderlich, um eine nachhaltigere Landwirtschaft und Ernährungsunabhängigkeit zu erreichen.
- Sinkt der Konsum tierischer Produkte auf die Empfehlungen der Planetary Health Diet, könnten LandwirtInnen ihre Tiere extensiv halten. Die vorhandenen Grünland- und Ackerflächen könnten in diesem Fall und bei Einhaltung einer siebenjährigen Fruchtfolge – rein rechnerisch – Mensch und Tier ernähren.“
Die Studie ist hier nachzulesen:
https://doi.org/10.3390/su15118675
Eine deutsche Version und Kurzfassung senden wir gern auf Anfrage!
Für Rückfragen stehen die Wissenschaftlerinnen gerne zur Verfügung: anna-mara.schoen@w.hs-fulda.de und marita.boehringer@w.hs-fulda.de
Pressekontakt:
Feyza Morgül, Mail: F.Morguel@bionales.de , Telefon Büro: 069 9595 6056