Fragen an Susanne von Münchhausen, BIONALES-Vorständin und Sprecherin des Frankfuter Ernährungsrats zur Situation der Bio-Landwirtschaft in Hessen.
In Berlin beginnt die Grüne Woche. Grund genug, auf die schwierige Situation der Bio-Landwirtschaft in Hessen zu blicken. Wie ist die Lage im Moment?
Für viele Bio-Betriebe ist die Vermarktung seit dem Frühsommer 2022 sehr schwierig geworden. Ich höre immer wieder Hiobsbotschaften, weil Feldsalat oder Kartoffeln nicht zu verkaufen sind oder die Schlachtlämmer noch im Stall stehen. Überall gibt es schlechte Nachrichten. Die Stimmung in den landwirtschaftlichen Betrieben und Verbänden bei uns in Hessen ist sehr gedrückt.
Wie kam es zu einem Ende des sogenannten Bio-Booms?
Es ging in der Branche während der Corona-Krise bergauf, weil sich viele Menschen – in Abkehr von der Globalisierung – auf Regionalität konzentrierten – und auf gutes Essen zu Hause. Jetzt hat sich die Situation vollkommen unerwartet gedreht. Jetzt boomen die Discounter, verkaufen Bio-Importware, machen ein gutes Geschäft und den erzeugenden Betrieben hier bei uns in den Regionen bricht die Nachfrage weg.
Was sind die Gründe dafür?
Die Menschen fürchten nun die Folgen der steigenden Preise und wollen deshalb so viel Geld wie möglich am Essen sparen. Daher meiden viele die Lebensmittel aus der Direktvermarktung, von Märkten oder Bio-Lieferdiensten, obwohl sie die Preise im Einzelnen gar nicht vergleichen. Nicht immer ist Bio-Ware teurer. Denn oft sind die Produktionskosten der Biobetriebe nicht so stark gestiegen wie in den konventionellen Betrieben, die beispielsweise die viel teurer gewordenen chemisch-synthetischen Dünger einsetzen müssen. Viele der großen Handelsunternehmen bieten schon gar keine Bioprodukte aus Deutschland mehr an.
Welche Unterstützung wäre denn vom Land und den Kommunen hilfreich?
Wir müssen die Probleme anpacken. Es geht jetzt weniger um Nothilfeprogramme aufgrund einer aktuellen Krise. Aber wir haben in der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft ein paar große Dauerbaustellen, an denen endlich mal mit Nachdruck gearbeitet werden müsste:
- Politik, Eltern und Erzeugerbetriebe wollen seit Jahren, dass nachhaltig erzeugte Lebensmittel einen viel größeren Anteil in Schul- und Kita- oder Krankenhausküchen haben als bisher. Aber es passiert viel zu wenig, um die Außerhausverpflegung entsprechend zu gestalten.
- Wir brauchen dringend eine Informationskampagne für die bioregionale Erzeugung. Viele Menschen, vor allem die jüngeren, haben keine Kenntnisse über und daher gar kein Vertrauen in die Bio-Kennzeichnung.
- Und wir brauchen einen Dialog auf Augenhöhe und effektive Kooperationen zwischen den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung und aus den Biobetrieben bzw. deren Verbänden. Theoretisch müsste das leicht sein, denn die politischen Ziele, wie beispielsweise 25 Prozent Ökolandbau bis 2025, decken sich mit dem Wunsch in der Branche, die Rahmenbedingungen für Öko-Betriebe zu verbessern.
Was können Verbraucher‘innen tun?
Alle sollten sich fragen, ob sie die regionale Wirtschaft und die nachhaltige Landbewirtschaftung hier bei uns in Hessen am Leben erhalten wollen. Und wenn irgend möglich beim Bio-Stand, beim Öko-Lieferdienst oder bei der Solawi einkaufen. Wer sparen muss, sollte sich die Preise genau anschauen und vor allem auf Fertigprodukte verzichten. Unverarbeitete Lebensmittel sind pro Kilogramm günstiger und enthalten zudem keine Zusatzstoffe. Also lieber etwas mehr Vorbereitungszeit fürs Kochen einplanen. Dann ist Bioware oft nicht teurer.