Mit einer Stellungnahme reagiert der Ernährungsrat Frankfurt auf Wünsche, landwirtschaftliche Böden zu neuen Gewerbegebieten zu machen.
Der Frankfurter Ernährungsrat widerspricht in seiner Pressemitteilung vom 20.08.2020 mit allem Nachdruck der weiteren Ausweisung von landwirtschaftlichen Flächen in Frankfurt zu Gewerbeflächen: „Frankfurt sowie die Städte und Gemeinden der Region brauchen ihre landwirtschaftlichen Flächen! Der Ernährungsrat möchte betonen, dass er das Bestreben grundsätzlich unterstützt, neue Unternehmen anzusiedeln, Beschäftigungsmöglichkeiten zu erhalten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Frankfurt zu sichern“, so Bärbel Praetorius, Sprecherin des Ernährungsrats Frankfurt.
Es gibt aber Gewerbe- und Büroflächen in Frankfurt und Umgebung, die eines intelligenten regionalen Managements bedürfen, um Leerstände und brachliegende Flächen zu vermeiden. Aktuelle Trends der Dezentralisierung und Digitalisierung lassen derzeit erkennen, dass Unternehmen ihre Arbeitsprozesse umstrukturieren werden. Das wird einen direkten Einfluss auf Gewerbeflächen haben. „Langfristig bedeutet Nachhaltigkeit auch die Wiederverwendung von „alten“ Immobilien und Industrieflächen. Neue Versiegelungen müssen unbedingt vermieden werden.“
Vertreterinnen und Vertreter der Industrie- und Handelskammer sowie der Wirtschaftsförderung hatten in Stellungnahmen zu den vorliegenden Zahlen der Entwicklung der Unternehmensansiedlung und zur Beschäftigung im vergangenen Jahr deutlich das zutreffend analysierte Kernproblem hervorgehoben: „Flächen sind ein schlimmer Flaschenhals.“
Dieser Einschätzung könne der Ernährungsrat-Frankfurt, ein Zusammenschluss engagierter Bürgerinnen und Bürger, nur zustimmen. Flächen stellen für viele Wirtschaftssektoren einen Flaschenhals dar. Neben der Landwirtschaft und der Gewerbe- und Wohnbebauung benötigen Infrastrukturmaßnahmen z. B. für den Straßen-, Trassen- oder Flughafenausbau zusätzliche Acker-, Grünland- und Waldflächen. Da solche Baumaßnahmen ökologische Ausgleichsflächen erfordern, verknappen sie in zweifacher Hinsicht die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Nutzflächen. Dieses Phänomen formuliert u. a. der Deutsche
Bauernverband als zentralen Kostentreiber in der Landwirtschaft. Die Entwicklung von zukunftsfähigen landwirtschaftlichen Betrieben ist schon jetzt massiv durch die stetige
Verknappung von Flächen eingeschränkt. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe in und um Frankfurt brauchen jede Acker- und Grünlandfläche, um Wertschöpfung und Beschäftigung im Sektor zu sichern.
Frankfurt vermochte sich als freie Bürgerstadt über die Jahrhunderte hinweg deshalb zu einer modernen Metropole zu entwickeln, weil die Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln, die auf den außergewöhnlich fruchtbaren Ackerböden im Umland wuchsen, auf kurzem Weg versorgt werden konnte. Weitere tierische und pflanzliche Erzeugnisse kamen, ebenso wie heute noch das Trinkwasser und die Frischluft, aus den umliegenden Mittelgebirgen wie Taunus, Vogelsberg und Odenwald.
„Es ist keine Nostalgie, sondern vielmehr die besorgte Vorausschau auf sich verknappende natürliche Ressourcen und das Verantwortungsgefühl gegenüber kommenden Generationen, die uns antreiben!“ erklärte Dr. Susanne v. Münchhausen, Leiterin des Arbeitskreises „Produktion und Vermarktung“ des Ernährungsrats. Die Corona-Krise führe uns, ebenso wie andere Krisen weltweit, die aktuellen Herausforderungen verstärkt vor Augen. Die Sorge, nicht über ausreichende Mengen und Vielfalt frischer und gesunder Lebensmitteln zu verfügen, könne unerwartet schnell um sich greifen. Doch auch ohne Krise würde zunehmend deutlich, dass sich Trends ändern. Immer mehr Menschen wünschen sich regional und nachhaltig erzeugte, hochwertige Lebensmittel!
„Andere Großstädte wie Berlin, Kopenhagen und Mailand machen es uns bereits vor, wie sich die globalen Trends der Stadtentwicklung mit den Ansprüchen an eine gesunde und regionale Ernährung vereinbaren lassen“, hebt Frau v. Münchhausen hervor. Vielen Konsumentinnen und Konsumenten sei bewusst, dass das Verlagern der Lebensmittelerzeugung in andere Länder und unter geringen rechtlichen Auflagen zu negativen ökologischen Effekten wie dem Abholzen von Regenwäldern oder zu sozialen Problemen führt. Dem wollen sie entgegenwirken und fragen verstärkt lokal und regional erzeugte Lebensmittel nach.
„Diese lokalen und globalen Zusammenhänge machen es unerlässlich, den Verlust von Ackerflächen mit allen Betroffenen und in aller Offenheit zu diskutieren. Wir sehen, dass die Gruppe der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger wächst, die sich für den Erhalt der (noch) vorhandenen fruchtbaren Ackerflächen einsetzt, denn der Bedarf an regionaler Lebensmittelversorgung wird weiter steigen! Aber wenn der Mutterboden eines Ackers erst einmal ausgehoben und abtransportiert ist, lässt sich selbst nach Rückbau eines Gewerbegebiets kein fruchtbares Feld auf die Schnelle wieder anlegen.“